Der kleine Unterschied

06.01.2015

 

Vor kurzem haben wir im Kollegenkreis mal wieder über "den kleinen Unterschied" gesprochen. Dabei ging es nicht um "Mann und Frau" sondern um die Frage, wie sich Tierphysiotherapeut, Tierosteopath und Tierchiropraktiker voneinander abgrenzen bzw. auch ergänzen. Wir haben festgestellt, dass es Tierbesitzern sehr oft schwerfällt, sich im Dschungel der Begrifflichkeiten und Fachdisziplinen zurechtzufinden. Ich habe mich gefragt, warum das so ist und kam zu folgendem Ergebnis:

 
 

Während im Humanbereich alles strengstens zum Wohle der Patienten geregelt ist, herrscht im Veterinärbereich leider nach wie vor weitestgehend Gesetzlosigkeit. Das heißt, es gibt keine staatliche Regelung dafür, wer therapeutische Maßnahmen an einem Tier durchführen darf und welche Ausbildung es dafür bedarf. Demnach gibt es auch keine Regelung für einheitliche Ausbildungsinhalte- und Prüfungsstandards. Ein Dilemma – denn streng genommen darf sich jeder Tierphysiotherapeut, -osteopath  oder -chiropraktiker nennen, ohne dass er eine Ausbildung und/oder Prüfung dafür nachweisen muss. Aber dazu später mehr...

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Gemeinsam haben Tierphysiotherapie, -osteopathie und -chiropraktik, dass alle drei manuelle Heilmethoden sind, d. h. der Therapeut arbeitet mit seinen Händen. Bei allen drei Methoden steht die Gesunderhaltung der Tiere durch Erhalt und/oder Wiederherstellung der Beweglichkeit im Mittelpunkt der Therapie.

Aber nun zu den Unterschieden, bzw. unterschiedlichen Ansätzen der drei Fachdiszipline (in alphabetischer Reihenfolge):

 

Chiropraktik

Die moderne Chiropraktik hat ihre Ursprünge in den USA und wurde 1895 von Daniel D. Palmer begründet. Im Fokus der Chiropraktik steht das Nervensystem, bzw. das Verhältnis der Wirbelsäule zum Nervensystem.

Das Nervensystem ist das wichtigste Kontrollsystem des ganzen Körpers. Ohne Nervenfunktion kein Leben. Wir unterscheiden das zentrale und das periphere Nervensystem. Das zentrale Nervensystem befindet sich quasi in Form von Gehirn und Rückenmark geschützt in Schädel und Wirbelsäule. Das periphere Nervensystem beschreibt die Nerven, die durch so genannte Nervenaustrittslöcher aus den Wirbelkörpern austreten und den restlichen Körper, die Peripherie, mit nervalen Informationen versorgen.

Aufgrund der Lokation von zentralem und peripherem Nervensystem geht die Chiropraktik davon aus, dass kleinste Fehlstellungen und Blockaden von Wirbeln den Informationsfluss im Nervensystem verändern; die Informationen damit an den Ausführungsorganen „gestört“ ankommen. Muskeln, Bänder, Organe sowie Geist und Psyche können somit allesamt betroffen sein, wenn der Nerveninformationsfluss gestört ist.

Mit der chiropraktischen Rejustierung werden diese kleinsten Fehlstellungen gelöst und die Wirbelsäule wieder korrekt ausrichtet, so dass die Nerveninformationsfluss wieder ungehindert fließen kann. Der Körper ist dann wieder in der Lage, gestörte Funktionen zu harmonieren. Kurz übersetzt: Korrekte Information = korrekte Funktion.

 

Osteopathie

Die Ursprünge der Osteopathie sind dem amerikanischen Arzt Dr. Andrew T. Still zuzuschreiben. Still entdeckte 1874, dass der Verlust der Beweglichkeit zu Krankheit führt, was umgekehrt bedeutet, dass sich Störungen des Organismus durch die Behandlung des Bewegungsapparates beheben lassen. Wir sprechen heute von der parietalen Osteophatie (das Bindegewebe, die Muskulatur und die Gelenke betreffend) – einer von drei Bereichen der Osteopathie.

Ein weiterer Bereich ist die so genannte viszerale Osteopathie, die in die Betrachtung noch die inneren Organe und Eingeweide einbezieht. Der dritte Bereich beschäftigt sich mit der so genannten Craniosacralen Therapie, die auf der Annahme beruht, dass sich die rhythmischen Pulsationen des Liquor (Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit), die zwischen dem Schädel (Cranium) und dem Kreuzbein (Sacrum) fließt, auf die äußeren Gewebe und Knochen übertragen. Mithilfe von sehr einfühlsamen Handgriffen spürt der Therapeut diese Eigenbewegung und eventuelle Blockaden auf, hält sanft den Druck am Ende einer Bewegung und wartet, bis eine Entspannung, bzw. Lösung der Blockade eintritt. Die Stärke des Drucks kann man sich übrigens so vorstellen, als würde man versuchen, einen Schmetterling am Fortfliegen hindern zu wollen, ohne ihm die Flügel zu verletzen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Chiropraktik und Osteopathie beide alternative Heilverfahren und damit durchaus verwandte Verfahren sind. Im Kern der jeweiligen Behandlung steht nicht die Dysfunktion zu heilen, sondern die Selbstheilungskräfte des Körpers durch entsprechende Impulse zu aktivieren. Dies geschieht durch Lösen von Bewegungseinschränkungen. Die Chiropraktik hat dabei mehr den Fokus auf dem Nervensystem und arbeitet bei der Rejustierung mit lokalen Impulsen (kurze Hebel)  auf das jeweilige Bewegungssegment. Die Osteopathie hat den Fokus auf Blut- und Liquor- und Lymphfluss und arbeitet, gerade in der strukturellen Osteopathie, mit langen Hebeln. Beide Techniken wirken manipulativ auf die Bewegungssegmente ein.

 

Physiotherapie

Die Physiotherapie ist als therapeutisches Verfahren in der Humanmedizin ebenfalls bereits seit Jahrhunderten etabliert und wurde vor ca. zwanzig Jahren auf den Veterinärbereich adaptiert.

Durch Massagen, gezielte Bewegungsübungen, physikalische Therapien und andere physiotherapeutische Maßnahmen werden Schmerzen gelindert, verspannte Muskulatur gelockert, die Beweglichkeit verbessert und die Heilung gefördert. Auch Tierphysiotherapeuten wirken mobilisierend, jedoch nicht manipulativ auf Bewegungssegmente ein.

Neben der Arbeit mit seinen Händen bedient sich der Tierphysiotherapeut auch natürlicher physikalischer Reize wie Kälte & Wärme, Strom oder Strahlung sowie verschiedener Geräte und Hilfsmittel zur Ausführung/Unterstützung aktiver Bewegungsübungen.

Die Tierphysiotherapie wird oft als begleitende, bzw. weiterführende Maßnahme zur Behandlung eines Tierarztes oder Tierheilpraktikers  bei aktiven und chronischen Krankheiten des Bewegungsapparates angewandt. Genauso kann sie aber auch präventiv, d. h. zur Gesunderhaltung eingesetzt werden – gerade auch bei Tieren, die im Leistungssport oder in der Arbeit eingesetzt werden. In der Geriatrie unterstützt die Physiotherapie den Erhalt der Beweglichkeit und bietet altersgerechte Beschäftigungsmöglichkeiten und Bewegungsprogramme für ältere Hunde und Pferde.

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Jede Disziplin hat absolut ihre Daseinsberechtigung und lässt sich prima bei Bedarf mit den anderen Therapien kombinieren. Denn meines Erachtens sind gute Therapeuten vor allem auch Teamplayer anstatt Einzelkämpfer. Wenn ich das Gefühl habe, in einer Behandlung nicht weiterzukommen oder die Anamnese bereits hergibt, dass dieser Patient eher ein Fall für den Chiropraktiker oder Osteopath  wäre, dann kläre ich meine Patientenbesitzer selbstverständlich darüber auf und verweise auf praktizierende Kollegen. Andersherum empfiehlt beispielsweise auch der Chiropraktiker je nach Indikation eine ergänzende Physiotherapie, nachdem er die Blockaden beseitigt hat. Ein guter Therapeut arbeitet gerne bei Bedarf mit Tierärzten, Tierheilpraktikern, Zahnspezialisten, Sattlern und Spezialisten der verschiedenen Fachdisziplinen zusammen.

Eines liegt mir noch abschließend am Herzen:  Unabhängig der Fachrichtung, bedarf es immer exzellenter Kenntnisse der Anatomie, Biomechanik, Tierartspezifischer Krankheiten und Verletzungen, etc. Insofern würde ich persönlich immer nur Therapeuten vertrauen, die ihren Beruf gelernt und „ihre Fähigkeiten“ nicht geerbt haben! Lassen Sie sich doch bitte nicht blenden!

Therapeuten, die ihr Handwerk gelernt haben, können ihre Qualifikation nachweisen. Und Sie können vor allem eines – ihren Patientenhaltern Zusammenhänge erläutern und erklären, was sie tun und warum sie es tun. Und last but not least bilden sich gute Therapeuten regelmäßig fort, schauen über den Tellerrand hinaus und versuchen ganzheitlich zu arbeiten. Damit ist gemeint, dass beispielsweise auch Ernährungs- und Haltungsbedingungen in die Gesamtbetrachtung einfließen und Therapien immer individuell auf das Tier abgestimmt werden.

Kontakt

agilavet Tierphysiotherapie und 
-naturheilkunde

Tina Löffler

Büdesheimer Str. 22

61137 Schöneck

 

Telefon

+49 152 34557772

 

E-Mail

tina@agilavet.de

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